
Indiana Jones and the Great Circle - Der Fedora sitzt wieder!
Authentisches Indiana-Jones-Feeling mit starker Story – ein digitales Kinoabenteuer
Die Story ist zwischen den Filmen "Jäger des verlorenen Schatzes (Raiders of the Lost Ark)" und "Der letzte Kreuzzug (The Last Crusade)" angesiedelt. Die Handlung beginnt dramatisch, als Indiana Jones einen nächtlichen Einbruch am Marshall College verhindert, jedoch im Kampf unterliegt. Indy stolpert – wie so oft – eher zufällig in eine globale Verschwörung rund um den mysteriösen „Großen Kreis“, eine uralte Geheimverbindung, die Artefakte hortet, Wissen verbirgt und von Nazis unterwandert ist - klassisch Indy also. Zwischen Kathmandu, Kairo und den Katakomben unter Rom bleibt kaum Zeit zum Durchatmen – auch weil die Inszenierung auf dem Niveau eines interaktiven Spielberg-Films liegt.
Was macht eigentlich dieses „Indiana-Jones-Feeling“ aus? Es ist mehr als nur Hut und Peitsche. Es ist der Spagat zwischen Historien-Romantik und handfestem Abenteuer, zwischen cleverem Witz und echter Gefahr. Es ist das verschmitzte Grinsen, mit dem Indy einem Nazi in die Parade fährt, und die ehrliche Begeisterung für verlorene Zivilisationen. Und ja – es ist auch ein bisschen Staub, Blut und Glück im letzten Moment. Indiana Jones und der Große Kreis trifft diese Mischung fast erschreckend genau.
Die Story setzt nicht auf plumpe Action, sondern webt sich elegant zwischen den Filmen ein. Zwischen den genannten Filmen zeigt uns das Spiel einen Jones, der bereits einige Schlachten geschlagen hat. Und genau hier liegt der erzählerische Sweet Spot: Indy ist erfahren, zynisch und neugierig wie ein Kind im Museum.
Im Spiel tritt dir als Hauptantagonist Emmerich Voss gegenüber – ein hochrangiger Nazi-Wissenschaftler mit Hang zur Esoterik und einer gefährlich klaren Vorstellung davon, was Macht bedeutet. Voss ist kein simpler Schurke mit Monokel und Knarre, sondern ein brillant inszenierter Gegenspieler, der auf mehreren Ebenen funktioniert: als ideologischer Gegner, als intellektuelle Konkurrenz und als bedrohliche Präsenz, die Indy im Laufe der Story mehrfach das Leben zur Hölle macht.
Abenteuer pur mit kleinen Schwächen
Der Große Kreis bietet ein Gameplay, das irgendwo zwischen Uncharted, Tomb Raider und klassischen Rätseln liegt – mit der Indy-Würze oben drauf. Besonders gelungen ist die Mischung aus linearen Action-Sequenzen und Erkundungspassagen, die zum Rätseln und Kombinieren einladen.
Die offenen Gebiete laden dazu ein, tief in die Spielwelt einzutauchen und versteckte Geheimnisse zu entdecken. Insbesondere die Rätsel sind ein Highlight – von einfachen Logikaufgaben bis hin zu komplexen Verschlüsselungen, die gelegentlich den Einsatz von Stift und Papier erfordern. Dabei gelingt es dem Spiel, die Balance zwischen Herausforderung und Zugänglichkeit zu halten.
Die Peitsche dient nicht nur als ikonische Waffe, sondern auch als multifunktionales Tool zum Schwingen, Ziehen und (manchmal auch versehentlichen) Herunterreißen alter Statuen.
Die Kämpfe sind dynamisch, aber niemals überladen. Statt Dauerballerei setzt das Spiel auf punktgenaue Auseinandersetzungen: Faustkämpfe, Schusswechsel und kleine Stealth-Abschnitte. Weniger gelungen ist die Umsetzung der Kämpfe. Während die Nahkämpfe mit ihrer Mischung aus Ausweichmanövern und präzisen Schlägen zufriedenstellend sind, enttäuscht der Einsatz von Schusswaffen. Obwohl die Steuerung solide ist, wirkt der Einsatz von Waffen oft unpassend, da er Feinde in Massen anzieht und die ansonsten gut funktionierende KI ins Chaos stürzt.
Ausstattung und Fortschritt
Anders als in Rollenspielen oder vielen modernen Action-Adventures verzichtet Indiana Jones und der Große Kreis auf ein klassisches Levelsystem oder einen umfangreichen Skill-Tree. Du wirst hier also nicht erleben, dass Indy plötzlich dreifach so viel Schaden im Faustkampf macht oder seine Gesundheit durch Skillpunkte aufgerüstet wird. Und das ist tatsächlich eine bewusste Designentscheidung.
Anstelle bekannter Methoden setzt das Spiel auf sammelbare Bücher und "Abenteuerpunkte", die durch das Entdecken kultureller Artefakte verdient werden. Diese Punkte können für nützliche Fähigkeiten wie verbesserten Nahkampfschaden oder Indys berühmte "Lucky Hat"-Fähigkeit ausgegeben werden, die es ihm ermöglicht, nach einem Sturz wieder aufzustehen.
Du wirst nicht zum Übermenschen, aber du merkst: Jeder Fund macht dich ein kleines bisschen besser. Und genau das motiviert dazu, jeden Winkel zu erkunden, jede Statue zu drehen und jedes Regal zweimal anzuschauen – denn irgendwo könnte ja ein vergilbtes Buch liegen, das dir im nächsten Faustkampf den entscheidenden Vorteil bringt.
Besonders clever: Einige Gegenstände, wie eine Kamera oder ein Atemgerät, spielen eine zentrale Rolle in der Geschichte und bleiben auch über mehrere Level hinweg wichtig.
Technische Umsetzung: Eine cineastische Erfahrung
Was Indiana Jones und der Große Kreis wirklich auszeichnet – vielleicht sogar mehr als das Gameplay selbst – ist die Art, wie es seine Welt präsentiert. Jeder einzelne Ort, den man im Verlauf der Kampagne bereist, wirkt nicht einfach wie ein Level, sondern wie ein Stück Geschichte. Man hat fast das Gefühl, ein digitaler Archäologe zu sein, der nicht nur Schätze findet, sondern auch Spuren längst vergangener Kulturen.
Nehmen wir zum Beispiel den Abschnitt in Rom, wo man die vergessenen Katakomben unter der Stadt erkundet. Die Atmosphäre dort ist zum Schneiden dick: Spärlich beleuchtete Gänge, das Echo der eigenen Schritte auf antikem Stein, das gelegentliche Knirschen von Schutt unter den Sohlen. Es ist kein Jumpscare-Horror, aber ein permanentes Gefühl von Ehrfurcht und latenter Bedrohung hängt über jedem Schritt.
Besonders gelungen ist dabei die visuelle Sprache: Spinnweben, Risszeichnungen an den Wänden, kleine versteckte Hinweise auf frühere Expeditionen – alles wirkt so, als wäre es dort wirklich von Archäologen entdeckt worden. Kein Element ist einfach nur "Kulisse", sondern immer auch Erzählung. Es erinnert stark an die Umgebungsdetails aus The Last of Us, wo jeder Raum eine kleine Geschichte erzählt. Nur eben im Indiana-Jones-Style, mit mehr Abenteuer und weniger Weltuntergang.
Ein anderes Highlight: Der Himalaya-Abschnitt. Dort klettert man durch ein halb verschneites Kloster, das halb in den Berg hineingebaut ist. Hier wird nicht nur mit Licht und Schatten gespielt, sondern auch mit Temperatur: Man sieht Indys Atem, hört den Wind durch zerbrochene Fenster pfeifen, und selbst das Knarzen alter Holzbalken trägt zur Illusion bei. Ich hatte in dem Moment echt das Bedürfnis, mir eine Decke über die Beine zu werfen. Es fühlte sich echter an als so mancher Winterspaziergang.
Was das Spiel clever macht, ist, dass es seine Umgebung nicht einfach "benutzt", sondern sie als integralen Teil der Erzählung versteht. Bei Der Große Kreis sind die Umgebungen der Star. Man hält inne, schaut sich um, findet kleine Hinweise, liest alte Tagebucheinträge – und plötzlich hat ein Raum mehr zu erzählen als so mancher Dialog.
Die Performance auf der Xbox Series X und PC ist stabil, ohne nennenswerte Framerate-Einbrüche oder Abstürze. Die Entscheidung, das Spiel größtenteils aus der Ego-Perspektive zu präsentieren, erhöht die Immersion, während Zwischensequenzen in dritter Person den ikonischen Charakter von Indiana Jones perfekt einfangen.
Ein besonderes Highlight ist die Leistung von Troy Baker als Stimme von Indiana Jones (englische Vertonung). Seine Darbietung ist so überzeugend, dass man fast glaubt, Harrison Ford selbst wäre hinter dem Mikrofon.
PlayStation 5 (Pro) vs. Xbox Series X – Wer hat den schöneren Tempel?
Technisch gesehen spielt Indiana Jones und der Große Kreis auf beiden Plattformen in der obersten Liga, aber es gibt kleine Unterschiede, die gerade für Grafikliebhaber interessant sind. Während die Xbox Series X das Spiel in nativer 4K-Auflösung bei stabilen 60 FPS präsentiert, bietet die PlayStation 5 Pro eine leicht dynamische 4K-Ausgabe mit Fokus auf Raytracing-Effekte, insbesondere bei Licht und Reflexionen.
In dunkleren Abschnitten – wie den Katakomben unter Rom – fällt auf der PS5 Pro besonders die feinere Schattenzeichnung auf. Taschenlampenlicht wirft realistischer wirkende Schatten, und das Raytracing sorgt dafür, dass Lichtquellen die Umgebung plastischer wirken lassen. Wenn du durch einen Raum gehst und das Licht einer Öllampe auf glänzenden Marmorboden trifft, sieht das auf der PS5 Pro einen Tick natürlicher aus – das ist dann fast schon Kinoqualität.
Die Xbox Series X kontert dafür mit etwas klarerer Texturschärfe in Außenarealen und sehr solider Weitsicht. Besonders bei den weiten Panoramen im Himalaya oder bei der Ankunft in Kathmandu fällt auf, dass die Xbox die Details in der Ferne stabiler hält – was dem Entdecker-Feeling zugutekommt.
Was Ladezeiten angeht, sind beide Plattformen flink unterwegs, wobei die PS5 (dank ihrer sehr schnellen SSD) in manchen Abschnitten minimal schneller aus Ladescreens zurückkehrt. In der Praxis macht das kaum einen Unterschied, aber es ist nett, wenn man gerade gestorben ist und direkt wieder ins Abenteuer starten will, ohne in ein Ladebild starren zu müssen.
