
Atomfall - Wicked Island
Ich hab mich also mit Bootsführer Bill Anderson aufgemacht, die Mittsommerinsel zu erkunden – in der Hoffnung auf neue Spielmechaniken, Story-Twists und ein wenig frischen Wind in der Fallout-inspirierten Atomhölle. Was ich bekommen habe, war... sagen wir: eine seltsame Mischung aus idyllischer Küstenstimmung und spielerischem Déjà-vu.
Neuer Ort, altbekannte Mechanik
Die neue Zone ist ungefähr so groß wie die bisherigen Regionen des Hauptspiels – allerdings spielt sich Wicked Island fast durchweg wie eine Bonus-Mission mit verändertem Setting. Zwar gibt es neue Waffen (z. B. eine interessante Variante der Armbrust und einen knüppelschweren Holzhammer mit Gift-Effekt), doch deren Impact bleibt begrenzt. Die meiste Zeit greift man eh wieder zu den bewährten Knarren aus dem Hauptspiel.
Auch die neuen Gegner – etwa die „Abbey Druids“ oder „Lake Bandits“ – sind letztlich nur optisch neu. Wer schon etliche Stunden im Basisspiel verbracht hat, merkt schnell: Diese Feinde verhalten sich exakt wie ihre alten Kollegen mit neuen Klamotten. Nur ein einziger Bosskampf, der mit einem Imker zu tun hat (ja, wirklich), hebt sich wohltuend ab und verlangt mal etwas mehr Taktik.
Was mich dabei besonders geärgert hat: Die altbekannten Probleme mit Munitionsmangel und knappen Ressourcen bleiben bestehen. Gerade auf einer isolierten Insel hätte ich mir mehr kreative Lösungen oder wenigstens ein neues Versorgungssystem gewünscht. Stattdessen hetzt man wie gehabt zwischen Händlern hin und her – nur dass es jetzt eben Küste statt Bunkerwände zu sehen gibt.
Malerisch morbid
Optisch macht Wicked Island viel richtig. Die neue Insel bietet verlassene Fischerdörfer, neblige Moore und mystische Klosterruinen, die stimmungsvoll in Szene gesetzt sind. In manchen Momenten fühlte ich mich ein bisschen wie in Everybody’s Gone to the Rapture, wenn auch mit deutlich weniger Harmonie und mehr Strahlung.
Besonders schön: Durch den Einsatz halluzinogener Substanzen (in Form eines „Engelselixiers“) taucht man in Visionen ein, die einem mehr über die Geschichte der Mönche auf der Insel erzählen. Diese Sequenzen bringen eine surreale Note ins Spiel und gehören zu den Highlights des DLCs – schade nur, dass sie zu selten vorkommen.
Technisch bleibt jedoch alles beim Alten: Die Engine zeigt in engen Innenräumen weiterhin ihre Schwächen, vor allem bei Beleuchtung und Wegfindung. Neue Effekte oder visuelle Spielereien sucht man vergeblich.
Viel Weg für wenig Ertrag
Die neue Quest beginnt mit einer simplen Mission – man soll angeblich ein ganz besonderes Met (Honigwein) finden. Daraus entwickelt sich zwar eine Story mit zwei möglichen Enden, doch wirklich überraschend oder mutig wird es dabei nie. Beide Abschlüsse variieren lediglich bereits bekannte Pfade aus dem Hauptspiel – schade, denn gerade das Thema „Kollektivbewusstsein vs. Selbstbestimmung“ hätte hier mehr hergegeben.
Richtig störend war für mich eine Rückholaktion, bei der ich drei Schlüssel in alten Zonen sammeln musste, um in der neuen Zone eine Tür zu öffnen – ein Paradebeispiel für künstliche Spielzeitstreckung, die mir das Ende eher verleidet als versüßt hat.
