Skull and Bones
Fast jedes Kind hat den Traum die Weltmeere mit seinem Schiff, seiner Mannschaft und auch einem Papagei auf den Schultern zu bereisen und zu beherrschen. Wem diese phantastische Phantasie verwehrt geblieben ist, der hat nun mit Skull und Bones zumindest die Möglichkeit sich in einen Piraten zu versetzen und die Weltmeere unsicher zu machen. Irgendwann im späten 17. Jahrhundert tobt ein Seekrieg im Indischen Ozean zwischen verschiedenen Fraktionen, von denen jede eine andere Art von Freiheit oder Kontrolle für die umgebende Welt vor Augen hat. In dieses Chaos tauchst du ein, bekommst allerdings direkt eine Abreibung und landest mit deinem schiffbrüchigen Hintern im Büro von John Scurlock. Dieser ist Piratenboss von Sainte-Anne, einer Festung der Schurken. Scurlock reicht dir die Hand und bietet dir die Schlüssel zu Ruhm und Reichtum und schickt dich auf einen Pfad voller Verbrechen und Schurkereien.
Über die ersten Stunden des Spiels hinweg hört man Dutzende von Phrasen und Ideen. Die Rede ist von Kapitalismus, der Bedrohung durch die Handelsmächte oder dem Schicksal der nomadischen Seevölker. Es ist eine gesunde Mischung aus Genreklischees und Quest-Anreizen, die ihren Weg in das Lexikon von Ubisoft gefunden haben. Geliefert mit tadellosem Anstand von einer kleinen Besetzung von Questgebern und Handlungsfiguren, bildet dies das Gerüst für das meiste, was man in Skull and Bones tun wird, wobei jeder Aspekt des Spiels darauf hinausläuft, eine kleine Menge an Zielen im Namen irgendeiner Fraktion zu erfüllen.
Bevor man jedoch auf hohe See geht, um sein eigenes Abenteuer zu schreiben, benötigst man ein eigenes Schiff. Die anpassbaren Schiffe von Skull and Bones sind ein Höhepunkt der Hauptkampagne; der Aufstieg deines Piraten spiegelt sich direkt in der Stärke und Pracht der von dir befehligten Schiffe wider. Mit steigendem Ansehen, dem "Spielerlevel des Spiels", schaltest man zusätzliche Möglichkeiten der Bauplangewinnung der Schiffe frei, die immer höhere Ressourcenmengen erfordern, die es in der offenen Welt zu sammeln gibt. Die Schiffe sind in klein und mittelgroß kategorisiert, groß haben wir leider vergebens gesucht. Bei Skull and Bones kommt der Drang auf, immer zum nächsten Schiff wechseln zu wollen, sofern es verfügbar ist, man sollte jedoch auch aufpassen, denn die Schiffstypen bringen auch unterschiedliche Perks mit sich. Das ist in jeder Hinsicht sehr gut gelöst, wie sich allerdings ein Schiff mit starken Rumpf als Tank etablieren kann, haben wir bisher leider nicht verstanden. Aber man kann auch Schadens- und Heilerschiffe realisieren, indem man beispielsweise für die Heiler Reparaturwaffen an Bord plaziert. So können freundliche Schiffe dann mit Schüssen eben dieser Bombarden oder Kanonen geheilt werden.
Einmal auf hoher See kommen die Stärken, Schwächen und das Potenzial von Skull and Bones an die Oberfläche. Mit der Designbasis von Assassin's Creed IV: Black Flag wäre es überraschend gewesen, wenn sich das Kernsegeln nicht fantastisch angefühlt hätte. Und obwohl Skull and Bones etwas stärker in Richtung Arcade-Steuerung neigt, ist die Freude, die ich empfand, wenn ich durch einen Sturm navigierte oder eine Welle überschlug, unbestreitbar. Die Ego-Perspektive des Spiels, während im Kampf völlig nutzlos, sorgt für eine intensivierte und immersive Erfahrung, während sich die aufkommenden Wetter- und Lichtsysteme wunderschön über das Deck entfalten. Die Schiffsbesatzung reagiert auf die Welt um sie herum, zeigt somit lokale Sehenswürdigkeiten oder drohende Bedrohungen an. Aber auch wenn die Schönheit hier beeindrucken kann, sind es die Kleinigkeiten, die dann als störender Faktor ebenso aufgenommen werden können. Wieso zum Beispiel können wir keine Ausrüsung und Perks an unsere Crew verteilen, um das Schiff zum Beispiel besser zu machen? Warum gibt es keinen Bordkoch, um die Buff-Nahrung zu erstellen?
Die Seeschlacht, die den Kern von Skull and Bones definieren soll, tritt letztendlich für einen Großteil des Spiels auf der Stelle. Während diese mit Wettereffekten und beeindruckender Partikel- und Zerstörungsphysik aufgewertet werden, wirkt der generelle Kampf wie im Jahre 2013 stehen geblieben. Zwar ist der Kampf an sich sehr benutzerfreundlich, Kanonen sind der Gesetze der Physik untergeordnet und wir können den Gegner entern - am Ende bleibt aber nur ein Inventar der gegnerischen Beute und der Drang weiter zu ziehen. Das Entern an sich ist lediglich eine Zwischensequenz, die man eventuell auch hätte noch weiter aufbauschen können - Möglichkeiten gibt es einige. Darauf hätte man dann evtl. noch weiter aufbauen können, indem man die Beute entsprechend der Erfolgschance des Enterns variabler verteiteilt. Im späteren Verlauf hat dieses System auch so eine Nachteile, denn mit immer schwerer werdenden Gegnern muss man schon ein meister der Navigation und Waffensysteme sein, um sich den Gegener vom Hals zu halten. Dieses System kommt dann Nachteilig bei PvE-PvP-Sequenzen zum tragen. Dies war auch der Punkt an dem ich meine Session von Skull and Bones beendete. Problem war, dass die gesamten PvE Schiffe, der Stützpunkt, den ich für mein Imperium übernehmen wollte zusätzlich zu einem weiteren Spieler auf mich schossen und mein Stufe 10 Schiff somit den Erdboden in Sekunden gleich machten. Da muss Ubisoft für gleiche Verhältnisse sorgen und nicht, dass einem diese Übernahmemissionen um die Ohren fliegen. Ähnlich verhält es sich bei Liefermissionen des Ruders. Man wird von abtrünnigen Schiffen abgefangen, die schon sehr stark sind und einem schnell den Gar ausmachen können. Man kann sich zwar mit Reparatur-Kits helfen, diese haben aber in der höchsten Stufe eine Abklingzeit von 90 Sekunden - zu lang, um Dauerfeuer vom Feind auszuhalten.
Die Erkundung der riesigen Meereskarte von Skull and Bones ist ebenfalls gespickt mit intensiven, aufregenden Momenten und langen Leerlaufstrecken. Man muss allerdings dazu sagen, dass die gesamte Karte nicht mal zugänglich ist. Zwischendurch werden die Leerlaufstrecken mit Live-Service-Spiel typischen Elementen wie Zufallsbegegnungen oder Events in Form von Konvois gebrochen. Mit Raum kommt Distanz und obwohl der Umfang dieser Welt bewundernswert ist, verliert das Durchqueren des Spiels seinen Charme weit schneller, als ich es mir gewünscht hätte. CoOp-Gameplay findet außerhalb fester Freundesgruppen kaum statt, zwar kommen manchmal "Hilfegesuche" anderer Spieler bei deren Aufgaben, jedoch kann man nicht dorthin schnellreisen. Ist man angekommen ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Anders herum hat man schnell das Gefühl, dass die Welt leer ist, da auch oft bei den Handelsrouten-Bossen kaum jemand dazustößt.
Das Endspiel versucht die Schwächen, die über die Zeit immer mehr aufploppen, wieder wett machen zu wollen. Dazu gehören die guten Bossbegegnungen wie zum Beispiel das Seeungeheuer oder das Geiserschiff - während ich mir beim Geisterschiff während des Tests immer die Frage gestellt habe, ob man es in der Pre-Season (wie das Spiel aktuell gerne bezeichnet wird) überhaupt hätte besiegen können. Handelsrouten können überfallen werden um so auch an die Ressourcen für Waffen und Schiffen zu kommen. Und auch das Imperium, welches man sich im Endgame aufbauen kann, halte ich grundsätzlich für eine gute Idee. Der Großteil davon spielt sich auf Diagrammen und Karten ab, die einzige aktive Beteiligung besteht darin, die Stützpunkte abzufahren, die Achternstücke einsammeln und dies dann wieder und wieder zu wiederholen - der nie endende Loop im Endgame. Und wäre das nicht gerade genug, sind viele Waffen und Rüstungen hinter Paywalls versteckt, die entweder die Achterstücke verlangen, eine Ressource, die man bisher nicht effektiv farmen kann oder aber wo man nun schon weiß, dass es ca. 30 Tage für ein Rezept benötigt. Ob das wirklich Motivation ist bzw. der Wille ist, die Spielerschaft am Spielen zu halten, wage ich zu bezweifeln.