
Tainted Grail: The Fall of Avalon
Zwischen Schwert und Schwermut
Tainted Grail: The Fall of Avalon ist ein First-Person-Open-World-RPG, wahlweise auch Third-Person, mit starkem Fokus auf Story, Exploration und Entscheidungen. Das Kampfsystem orientiert sich grob an The Elder Scrolls, fühlt sich aber etwas wuchtiger und brutaler an - was gut zur trostlosen Welt passt. Jeder Schwertschwung hat Gewicht, jeder Treffer kann tödlich sein. Blocken, Ausweichen, richtiges Timing - das alles ist wichtig, auch wenn es nicht ganz die Tiefe eines Dark Souls erreicht.
Das Charakter-Build-System in Tainted Grail: The Fall of Avalon bietet erfreulich viele Möglichkeiten, den eigenen Spielstil zu formen. Ob klassischer Krieger mit Zweihänder, verschlagener Schurke mit Dolch und Gift oder Magier mit Flächenzaubern – das Spiel lässt dir früh die Wahl, in welche Richtung du dich entwickeln willst. Dabei investierst du Attributspunkte in grundlegende Werte wie Stärke, Beweglichkeit oder Intelligenz und schaltest über Fähigkeitenbäume neue Skills und passive Boni frei. Besonders gut gelungen ist die Möglichkeit, Hybrid-Builds zu erstellen: Wer will, kann als schwer gepanzerter Ritter herumschleichen oder Magie mit Nahkampf kombinieren – ganz im Sinne experimentierfreudiger Spieler.
Auch sonst schaut sich Tainted Grail auch bei der Konkurrenz einiges ab. Wenn man sich oft schleichend bewegt, steigt die Schleich-Fähigkeit allmählich an, was wiederum Erfolgschancen bei heimlichen Aktionen erhöht. Gleiches gilt für das Blocken mit einem Schild oder das Wirken bestimmter Zauber. Insgesamt bewegt man sich - sofern man die Elder Scrolls Teile kennt - hier auf bekannten Terrain.
Manchmal nimmt sich das Spiel auch selbst ein wenig auf die Schippe, in dem man einen Zauberer im Spiel finden kann, der einen lehrt, Personen in Käse verwandeln zu können. Sofern erlernt, kann man auch den Zauber direkt am Lehrer ausprobieren und schaltet dadurch auch noch einen Erfolg frei. Spiele leben mitunter von solchen Elementen!
Schönheit im Verfall
Grafisch kann sich Fall of Avalon durchaus sehen lassen - wenn man weiß, worauf man sich einlässt. Die Umgebungen strotzen nur so vor Atmosphäre: Nebelschwaden kriechen über die Wiesen, Ruinen zerfallen realistisch, das Licht bricht gespenstisch durch zerborstene Fenster.
So atmosphärisch Tainted Grail: The Fall of Avalon auch ist - technisch merkt man dem Spiel seine Baustellen an. Immer wieder stolpert man über Bugs, die von harmlosen Clippingfehlern bis hin zu Quest-Triggern reichen, die einfach nicht auslösen wollen. Besonders nervig: Manche Gegner bleiben mitten im Kampf stecken, frieren in Kampfanimationen ein oder teleportieren sich abrupt. In einem besonders kuriosen Fall sprang ein Kultist auf einen Felsen - nur um dann minutenlang um die eigene Achse zu rotieren, bis ich ihn mit einem einzigen Schlag erledigte. Immersion? Fehlanzeige.
Auch die Animationen wirken oft steif und mechanisch. Bewegungen fühlen sich nicht flüssig an, Trefferfeedback schwankt zwischen „wuchtig" und „was war das gerade?". Gerade im Vergleich zu Genregrößen wie Skyrim Special Edition oder GreedFall fällt hier auf, dass noch Feinschliff fehlt. Das ist schade, denn es reißt einen regelmäßig aus der ansonsten so dichten Atmosphäre. Wer bereit ist, diese technischen Stolpersteine zu akzeptieren oder auf zukünftige Patches zu hoffen, kann trotzdem tief eintauchen - alle anderen sollten ihre Erwartungen entsprechend anpassen. Wer Skyrim kennt, fühlt sich grafisch ein bisschen daran erinnert - nur mit mehr Düsternis und weniger kitschigem Fantasy-Flair.
Bosskämpfe: Bedrohliche Kulisse, aber durchwachsene Mechanik
Die Bosskämpfe in Tainted Grail: The Fall of Avalon sind atmosphärisch definitiv ein Highlight – zumindest auf den ersten Blick. Viele dieser Begegnungen sind eindrucksvoll inszeniert: Man betritt dunkle Höhlen, verfluchte Tempel oder kultverseuchte Arenen, und plötzlich türmt sich eine albtraumhafte Kreatur vor einem auf – mal halb Mensch, mal vollends von der Verderbnis verschlungen. Die Designs sind grotesk, kreativ und passen perfekt zum düsteren Ton der Spielwelt. Besonders die musikalische Untermalung und die Umgebung tragen zur Spannung bei.
Spielerisch jedoch wirken die Kämpfe oft etwas simplistisch. Die Bossgegner verfügen meist über ein kleines Repertoire an Angriffsmustern, die sich schnell erkennen und aushebeln lassen. Wer Geduld mitbringt, ein Schild benutzt oder aus der Distanz agiert, wird selten ernsthaft gefordert – zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Was fehlt, sind Mechaniken, die wirklich überraschen oder die Umgebung clever einbeziehen, wie man es z. B. aus Dark Souls oder GreedFall kennt. Einige Bosse greifen einfach stumpf an, stecken viel Schaden ein und erfordern eher Ausdauer als Taktik.
Entscheidungen, Konsequenzen, Chaos
Ein Highlight des Spiels ist die Story-Struktur. Ähnlich wie in Dragon Age: Origins oder Kingdom Come: Deliverance beeinflussen Entscheidungen den Lauf der Geschichte spürbar. Man kann Fraktionen unterstützen, Intrigen spinnen oder auch einfach aus purer Gier ein ganzes Dorf in den Abgrund stürzen - moralische Grauzonen gibt es zuhauf.
Die Welt wirkt dabei nicht riesig, aber bewusst kompakt und dicht besiedelt mit Inhalten. Es gibt viele gut geschriebene Quests (teils vertont, teils nur textbasiert), geheime Orte, Artefakte und vor allem Lore - jede Statue, jedes Buch trägt zur bedrückenden Welt bei. Fans von Tainted Grail: Conquest werden bekannte Namen und Begriffe wiederfinden, allerdings in einem ganz anderen Kontext.
Ein nettes Extra: Die Vertonung der Hauptfiguren ist überraschend gut gelungen. Besonders der sarkastische Begleiter in einer späteren Questline bringt trockenen Humor in die sonst so trostlose Welt.
Vergleich mit Skyrim und Oblivion
Vergleicht man Fall of Avalon mit Skyrim oder Oblivion, dann fällt auf: Es ist weniger episch, dafür fokussierter und düsterer. Wo Skyrim auf Drachen und bombastische Hauptstory setzt, ist Avalon mehr Flüstern als Donner - aber dafür intensiver. Technisch reicht es nicht ganz an zum Beispiel das polierten Remaster von Bethesdas Oblivion heran, auch die Bewegungsfreiheit ist etwas eingeschränkter. Doch in Sachen Atmosphäre und Entscheidungsfreiheit kann Tainted Grail mithalten - und setzt mit seiner bitteren Welt sogar neue Akzente.
