
Deliver at All Costs
Atompakete mit Expressversand
Winston Green ist kein typischer Held – eher eine Art GTA-Nebencharakter. Mit seinem Truck rast er durch eine Retro-Miniaturwelt, liefert groteske Frachtstücke ab und hinterlässt dabei oft mehr Verwüstung als der Paketinhalt wert ist.
Der eigentliche Star ist das Fahrgefühl: Eine Mischung aus slip-slidey Micro Machines und Over-the-top-Autochaos. Ob du mit quietschenden Reifen an scharfen Kurven vorbeifliegst oder durch eine Polizeisperre crasht, das Spiel lebt vom kontrollierten Kontrollverlust – und belohnt kreative Zerstörungswut.
Das Spielprinzip ist schnell erklärt – aber schwer zu meistern. Per Lieferwagen fahren wir von Punkt A nach Punkt B und je nach Frachtgut sind einige Überraschungen garantiert sicher.
Dabei glänzt das Spiel mit absurden Missionen:
- Eine Statue muss vor taubengeschwängerter Vogelkacke gerettet werden.
- Ein riesiger Marlin darf unterwegs nicht hungrig werden.
- In anderen Missionen rammst du gegnerische Kuriertrucks und klaust ihnen die Ladung.
Jetzt denkt ihr dennoch, dass das alles simpel klingt, doch die Entwickler haben ein cleveres System aus Fahrzeugphysik und Echtzeit-Gefahren aufgebaut. Ein Spiel also, das weiß, wie es Spaß macht? Jein.
Der Wille zur Tiefe… aber warum?
Was Deliver at All Costs in seinen chaotisch-kreativen Missionen aufbaut, reißt es an anderer Stelle leider selbst wieder ein. Zwischen rasantem Wahnsinn à la Crazy Taxi und herrlich absurdem Kurierslapstick à la Goat Simulator schaltet das Spiel plötzlich in den Erzählmodus – und zwar mit angezogener Handbremse.
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Da wird man nach einer Verfolgungsjagd mit explodierenden Melonenladungen plötzlich in eine introspektive Comic-Sequenz geworfen, in der der Protagonist seinem Vater nachtrauert, weil dieser ihn nicht für seine „Gizmo-Liebe“ unterstützt hat. Klingt absurd? Ist es auch – aber leider nicht auf die gute Art.
Dieser Stilbruch zwischen alberner Physikspielerei und aufgezwungener Charaktertiefe wirkt nicht nur aufgesetzt, sondern bremst den Spielfluss jedes Mal spürbar aus. Die tonal völlig andere Erzählweise passt nicht zur restlichen Spielwelt, die sich sonst nie sonderlich ernst nimmt.
Gleichzeitig leidet der Titel unter einem unrhythmischen Spielfluss. Manche Missionen strotzen vor Einfallsreichtum und Tempo – im nächsten Moment kriecht man durch ziellose Dialoge, durchquert sterile Innenräume oder muss sich mit unmotivierten Puzzles befassen, die sich wie Fremdkörper anfühlen. Das wirkt, als hätte das Spiel selbst nicht ganz gewusst, ob es lieber anarchisches Klamaukfest oder tiefgründiges Charakterdrama sein möchte.
Miniatur-Amerika mit Stil
Optisch bietet das Spiel eine schicke, stilisierte Version von 1950er-Amerika – mit leuchtenden Reklametafeln, quietschbunten Autos und lächerlich liebevollen Details bis hin zum einzeln zerstörbaren Lattenzaun. Die Spielwelt wirkt wie eine Mischung aus Toy Story-Stadt und Fallout-Vorstadt, jedoch ohne den Verwesungsgeruch. Die rostigen Trucks, dampfenden Industrieanlagen und strahlenden Werbetafeln erzeugen eine schräge Mischung aus Americana und atomarem Wahnsinn.
Technisch läuft alles solide, auch wenn Explosionen oder viele Objekte auf dem Bildschirm das System leicht ins Schwitzen bringen können. Aber der Stil macht das wieder wett. Wer den Look eines Tropico mochte, wird sich hier schnell wohlfühlen – wenn auch alles eine Spur abgefahrener ist. Auf dem Controller spielt es sich hervorragend – die Steuerung ist direkt, aber schön übertrieben.
Ob man mit einem „Fluch-Horn“ Fensterscheiben zum Bersten bringt oder das Bordradio seltsame Regierungsansprachen ausspuckt – die akustische Kulisse unterstreicht den Wahnsinn perfekt. Das Spiel hat keine Scheu, herrlich dumm zu sein – und genau darin liegt sein Charme.
